TB 79: Bundesregierung versagt bei neuem Säugetiergutachten
Die Elefantenhaltung ist eines von vielen Beispielen dafür, dass das Wohl der Tiere bei diesem Entwurf nachrangig ist: Experten sind sich einig, dass ein intaktes Familiengefüge sowie ausreichend Bewegung und Beschäftigung unerlässlich für Gesundheit und Wohlergehen der intelligenten Dickhäuter ist. Der Entwurf genehmigt jedoch eine Haltung auf engstem Raum sowie tägliches Anketten. Anstatt intakte Sozialstrukturen einzufordern, lässt der BMELV-Entwurf zu, dass auch zukünftig Elefantenkühe von ihrer Mutter und männliche Tiere bereits im Kleinkindalter von ihrer Familie getrennt werden können.
Viele Tierarten können weiterhin auf engstem Raum regelrecht eingepfercht werden: So dürften 20 Rhesusaffen oder zwei Leoparden auf je gerade einmal zehn mal zehn Metern oder weniger gehalten werden. Einem Luchs, als größter europäischer Katzenart, wird gerade einmal die Hälfte davon zugestanden, sodass den Tieren kein adäquater Lebensraum zur Verfügung steht.
Die von Experten empfohlenen Mindestgehegegrößen wurden zum Teil mehr als halbiert. Egal ob Gorillas, Wölfe, Flusspferde oder Kängurus: Der deutsche Entwurf bleibt bei vielen Arten weit hinter dem zurück, was in den Nachbarländern Österreich und Schweiz als Minimum vorgeschrieben ist.
Die Verbände fordern auch, Zoos zu einer „verantwortungsvollen Zucht“ zu verpflichten. Die vom Verband Deutscher Zoodirektoren (VDZ) propagierte Tötung „überzähliger“ Jungtiere wird durch den Entwurf nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dies widerspricht dem geltenden Tierschutzgesetz und der Rechtsprechung deutscher Gerichte, die eine Tötung solcher Tiere ohne vernünftigen Grund eindeutig abgelehnt haben.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das BMELV lediglich ein Gutachten zur Orientierung und keine rechtsverbindliche Verordnung verabschieden will, obwohl auch einige Bundesländer eine Verordnung favorisieren.
Zudem machen viele, teils schwammige Formulierungen im Gutachten bestimmte Vorgaben in der Praxis unbrauchbar. Bei manchen Tierarten sollen Ausnahmeregeln die Zoos von der Pflicht zu dringend notwendigen Modernisierungen entbinden. „Es fällt auf, dass besonders bei Tierarten wie Elefanten oder Menschenaffen, bei denen der Gehegeumbau kostspielig wäre, ein Bestandsschutz gelten soll. Ein Beispiel von vielen, bei dem das BMELV offenbar dem Druck der ZoovertreterInnen nachgegeben und den Tierschutz wirtschaftlichen Interessen geopfert hat. Der Anforderung, die Tierhaltung in Zoos in Einklang mit dem Tierschutzgesetz zu bringen, wird das BMELV so nicht gerecht“, so Laura Zimprich, die für animal public an der Überarbeitung mitwirkte.
Verglichen mit den „Zirkusleidlinien“ sind die Vorgaben im Säugetiergutachten allerdings geradezu paradiesisch.
Interessant für AktivistInnen: Sofern Tiere nicht in einem Zirkus auftreten, aber mitgeführt werden, müssen jene nach dem Säugetiergutachten gehalten werden. Nicht, dass es einen argumentativen Unterschied macht – artgerecht ist nur die Freiheit – allerdings hat man durch bloßes Ausrechnen schon oft etwas „Futter für die Presse“.
Symbolbild Luchs an Kette: pixabay
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